Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen in Deutschland im europäischen Vergleich
Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen in Deutschland im europäischen Vergleich
von Barbara Kehm
Eine Zwischenbilanz der Einführung von Bachelor- und Master-Studiengängen an deutschen Hochschulen zieht eine Studie des Wissenschaftlichen Zentrums für Berufs- und Hochschulforschung der Universität Kassel.
Die Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung vergleicht die Einführung der neuen Studienstrukturen in Deutschland mit sechs anderen europäischen Ländern (Österreich, Ungarn, Niederlande, Norwegen, Frankreich und Großbritannien); Dr. Barbara M. Kehm leitete die Studie. Die Ergebnisse flossen auch in die Diskussionen der Bologna-Folgekonferenz ein, zu der sich die europäischen Bildungsminister am 19. und 20. Mai in Bergen (Norwegen) trafen.
Gut fünf Jahre nach der Bologna-Erklärung lassen sich in den untersuchten Ländern folgende Entwicklungen erkennen:
* Von einer einheitlichen Struktur des Systems gestufter Studiengänge kann derzeit noch nicht gesprochen werden. Allerdings sind die Hochschulen aller Unterzeichnerländer intensiv in die erforderlichen Maßnahmen zur inhaltlichen und strukturellen Umstellung involviert.
* Die Umsetzung findet in den beteiligten Staaten in unterschiedlichem Tempo statt. In Norwegen ist der Prozess weitgehend abgeschlossen; auch in den Niederlanden erfolgt eine zügige Umstellung. Deutschland liegt derzeit etwa im Mittelfeld.
* Neue Akzente in der nationalen Koordinierung des Systems gestufter Studienstrukturen sind neben den gesetzlichen Regelungen vor allem der Auf- und Ausbau von Akkreditierungsagenturen sowie Maßnahmen zur Qualitätssicherung und ?verbesserung.
* Die Gesamtstimmung lässt sich als 'vorsichtig optimistisch' beschreiben. Allerdings unterschieden sich die Einschätzungen wichtiger Akteure und Interessengruppen durchaus voneinander. Die Hochschulleitungen sowie die Beschäftiger von Hochschulabsolventen und ihre Organisationen tendieren zu einer positiveren Bewertung der Bologna-Reformen als etwa die Studierenden und Lehrenden. In Deutschland ist man besonders weit fortgeschritten, was die Akzeptanz der neuen Studiengänge in der Wirtschaft angeht.
Ein erstes Fazit zur Umsetzung der Bachelor- und Master-Studiengänge in Deutschland weist im Vergleich zu den anderen in die Studie einbezogenen Ländern folgende Besonderheiten auf:
* Erstens gab es einen frühen Start der Bologna-Reformen, der allerdings von einer verzögerten Umsetzung abgelöst wurde. Derzeitig erweist sich vor allem die Tatsache als ein Hemmschuh, dass alle neuen Studiengänge akkreditiert werden müssen. Die Akkreditierungsagenturen können mit der Umstellungsdynamik nicht mehr Schritt halten.
* Zweitens ergeben sich teilweise Funktionsüberschneidungen zwischen Universitäten und Fachhochschulen, da beide Hochschultypen sowohl Bachelor- als auch Master-Studiengänge anbieten können. Das Fortbestehen beider Typen wird jedoch nicht in Frage gestellt. Offen bleibt, ob sich in Zukunft die gestufte Struktur gegenüber der Unterscheidung nach Hochschultypen stärker ausprägen wird.
* Drittens sind durch die für die Akkreditierung festgelegten Kriterien der Unterscheidung bei den Master-Studiengängen nach konsekutiv, nicht-konsekutiv oder weiterbildend sowie forschungsorientiert oder anwendungsorientiert Unklarheiten entstanden, die dem Ziel einer größeren Transparenz zunächst entgegenstehen.
* Viertens gibt es in Deutschland, wie in den anderen untersuchten Ländern auch, vor allem gewisse Unsicherheiten über die Chancen der Bachelor-Absolventen von Universitäten auf dem Arbeitsmarkt. Die Unvertrautheit der Beschäftiger mit den Kompetenzen dieser Absolventen wird erst nach und nach abgebaut werden können. Die Bereitschaft dazu ist seitens der Wirtschaft in Deutschland vorhanden.
Insgesamt und im Vergleich gesehen macht aber auch die Umsetzung der gestuften Studiengänge in Deutschland Fortschritte. In allen untersuchten Ländern, Deutschland eingeschlossen, ergaben sich Unterschiede zwischen der formalen und der inhaltlichen Umstellung. Etwa ein Drittel der neuen Studiengänge sind wirklich neu. Interessante und innovative Studiengänge finden sich vor allem auf der Master-Stufe, die im Unterschied zu den Bachelor-Studiengängen auch durch eine größere Flexibilität gekennzeichnet sind.
Bachelor-Studiengänge sind demgegenüber straffer organisiert, da sie dazu beitragen sollen, einen größeren Teil der Studierenden als zuvor in kürzerer Zeit zu einem berufsqualifizierenden Abschluss zu bringen.
Die Ergebnisse der Studie wurden im Rahmen einer Pressekonferenz des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft am 13. Mai in Berlin vorgestellt.
Der Volltext der Studie ist im Internet unter folgender Adresse zu finden:
https://www.study-board.de/www.bmbf.de
Prof. Dr. Barbara M. Kehm ist Universitätsprofessorin für Hochschulforschung am Wissenschaftlichen Zentrum für Berufs- und Hochschulforschung der Universität Kassel.