Hmmmmm, unsere Affaire ist wohl an einem äußerst heißen und kritischen Punkt angelangt, an dem Destruktives und Konstruktives sehr dicht und vielleicht gar sehr schmerzhaft beieinander liegen. Ob unsere Liebe das überstehen wird?
Ich fang mal mit der Theatralik an. Ich hab's versucht, ernsthaft, die Welt nur mit halb, sogar nur mit ein viertel oder gar noch weniger Theatralik zu sehen. Es will mir aber nicht recht gelingen, es ist mir zu fremd, Theatralik zu tief in mir verwurzelt. Ich könnte Dir dazu 'ne Menge biographischen Kram erzählen - und im Interesse unserer Harmonie sollte ich das vielleicht tun, aber es widerspricht leider meiner Überzeugung, allzu Privates nicht in Foren zu diskutieren. Wenn ich damit anfinge, dann würde ich meine Foren-Sucht vermutlich nicht mehr unter Kontrolle bringen können und mir irgendwann gar ernsthaft einbilden, Foren seien so etwas wie the real life. Solch Überlegung aber wirft ein zweifelhaftes Licht auf our relationship und wird erschweren, die Krise zur Chance werden zu lassen.
Im Übrigen ist keineswegs Adorno die erste kulturelle Gestalt, an der sich mein Sinn für Tragik geschärft hat. Ich hatte ja eigentlich vermutet, dass Du den 80ern vielleicht noch nahe genug stehen würdest, um darauf zu kommen, wessen Spitznamen ich für meine Nicks verwende und wer viel früher in mein Leben trat als Adorno. Aber anscheinend ist Dir diese Gestalt doch fremd. Um noch mal einen Tip in dieser Sache zu geben: die Zets werden als th ("tea-age") pronounziert (weswegen ich bei den ersten Wortspielen zum Gemotze durchaus einigen Humor in mir wahrgenommen habe - es ist nicht so, dass solcher nicht existierte, aber dazu vielleicht später noch mehr...) und eine Liedstrophe ist mir in stets unvergessenen Theatralik fast omnipräsent: What can make good all the bad that's been done? Aber genug der Hinweise...
Impi:
ZitatMan gewinnt den Eindruck, dass du alleine das Recht gepachtet hast zu entscheiden, was richtig und falsch, was gut und böse ist. Aber das hast du nicht. Niemand hat das. Wer dennoch so tut, übt nichts anderes als subtile Gewalt aus. Woher nur nimmst du diese unendliche Arroganz? Und nichts anderes ist es. Es ist die Arroganz zu glauben, du hättest das vermeindlich bessere Moralsystem. Überall musst du dieses rauskehren.
Ich habe kein System der Moral, auch wenn meine Moralvorstellungen vielleicht einige inhaltliche Kohärenz haben. Moral und System scheinen sich mir aber zu widersprechen. Du wirst mir das vielleicht nicht abnehmen, aber ich habe nie den Eindruck gehabt, dass irgend etwas, was ich tue, eine große Rolle für andere Menschen spielen könnte. Ist auch so 'ne biographisch motivierte Macke von mir. Insofern ist mir die Wahrnehmung, dass ich mit meiner Arroganz subtile Gewalt ausübe, tatsächlich eine ziemlich neue - auch wenn Du vielleicht nicht der allererste bist, der das mir gegenüber anmerkt. Ich würde von selbst wohl nicht darauf kommen, weil es mir zu fremd ist zu sehen, dass ich auf Menschen irgendeine Form von Einfluß ausübe (sei er gewaltförmig oder nicht) - auch wenn ich es mittlerweile durchaus besser weiß. Wodurch genau geht die Gewalt aus, Impi? Durch die Arroganz oder die Moral? Oder durch ein Konglomerat davon? Jedenfalls ist es nicht uninteressant, dass ich mir offenbar ganz zielstrebig einen Bereich zur Beschäftigung gesucht habe, der einige gesellschaftliche Macht repräsentiert. Individualpsychologisch nicht uninteressant: ich wollte wohl meine Ohnmachtsgefühle ein Stück weit kompensieren. Das ist mir zwar auch ein Stück weit in meiner Biographie gelungen, aber nicht durch den Panzer der Arroganz. Der stellt ja doch immer nur ein Schutzschild dar, um überhaupt Freiräume für eigene innere Entwicklungen zu schaffen. Keine sympathische Eigenschaft, sehe ich ein, und insofern fast schon beleidigend von Dir, mir so etwas an den Kopf zu knallen. Aber je älter ich werde, desto mehr weiß ich den Spruch zu schätzen, der über dem Orakel zu Delphi prangte. Hm, ich versuche daran zu arbeiten, ja? Aber ob das leicht wird... ich weiß ja nicht... Ansonsten ist Moral auch immer etwas hochgradig individuelles. Ich sehe eigentlich gar nicht die Möglichkeit, die Moralkeule erfolgreich zu schwingen, wenn da nicht irgend etwas in den Adressaten sowieso mitschwingt. Anders gesprochen: Du bist es doch letztlich selbst, der Gewalt auf Dich ausübt, auch wenn Dir meine Ausführungen dazu Anlass geben. Du könntest sie doch auch schlicht ignorieren. Du bist in einer Mediengesellschaft aufgewachsen - erzähle mir nicht, dass Du nicht fähig wärest, sie zu ignorieren. Dann aber wären Deine Vorwürfe an mich doch ziemlich gegenstandslos, oder nicht? Aber anscheinend willst Du es nicht ignorieren. Pourquoi, Impi?
Meine esoterische Handleser-Tante schließt aus dem bloßen Fakt des Monatstages meiner Geburt (10) in ihrem Geheimwissen-Typentest, dass ich ein Prediger wäre. Ich halte zwar von solchen Dingen nicht sehr viel, fand es aber immer wieder verblüffend, wie inhaltlich treffend sie immer wieder waren. Dass mit der Belehrung ist so ein Ding, dass da gut zu passt, nitwahr? Wobei ich dieses Moment eigentlich auch nur in der geschriebenen Sprache kenne, mündlich fühle ich mich in der Regel eher unbeholfen. Ich vermute, auch wenn ich da vielleicht noch an den Feinheiten feilen werde, damit es nicht ganz so schnell auffällt, dieses Moment ist mir nicht auszutreiben. Es gibt da einen spezifischen Ausdrucksdrang in mir, der das einfach sehr fördert. Bliebe noch die Frage, ob das nicht das Ende unseres Intermezzos bedeutet. Hm, da zitiere ich mal vielleicht Dich, um Dich hoffentlich zu ärgern: "*schulterzuck*".
Aus all diesen Reflexionen wird mir dann doch wieder klar, welches Suchtpotential Foren eigentlich auf mich ausüben. Vielleicht sollte ich mich möglichst bald möglichst konsequent ohnehin darum bemühen, dem ein Riegel vorzuschieben.
Impi:
ZitatVordergründig mag es dir darum gehen die Menschen zu belehren (was allein schon keine sympathische Eigenschaft ist), insgeheim aber hat das viel mit Ego und Bestätigung zu tun. Du brauchst das. Du suchst förmlich die Gegnerschaft. Du suchst die Menschen die du belehren kannst. Dieses Spiel darfst du auch gerne spielen, aber nicht mehr mit mir. Mir macht das nur noch Angst. Du magst die marxistische Literatur verinnerlicht haben. Umso bedauerlicher ist es, dass dein Kopf aus Beton ist.
Hmhm, jaja, da trifft schon einiges von. Wobei ich nicht eigentlich die Gegnerschaft suche, dafür bin ich viel zu harmoniesüchtig. Die Gegnerschaft fliegt mir leider eher zu. Das mag im Übrigen ein Grund sein, warum ich gerade momentan auch besonders unerbittlich bin: Diese ganzen Diskussionen der Streikzeit, nicht nur aber vor allem auch im Streik-Forum, haben mir noch einmal sehr deutlich vor Augen geführt, wie dumm und widerlich die politischen Diskussionen hierzulande geführt werden. Das macht mich wütend und mobilisiert einige Energien in mir, die mich meine Mildtätigkeit vielleicht gerade etwas vergessen machen. Ich habe die letzten Jahre gar keine politischen Auseinandersetzungen geführt, zum größten Teil, weil ich auch ahnte, wie die nur ablaufen. Jetzt steht es mir aber wieder konkret vor Augen - und das finde ich für eine Abschätzung der nächsten 20 Jahre dieser Gesellschaft wirklich aufs Tiefste beängstigend. Aber das hat freilich mit uns nicht gar so viel zu tun (außer freilich, dass ich einigen Ehrgeiz darin entwickelt hatte, Dich über systematische Probleme des Kapitalismus zu belehren. Okok, gebe ich im weiteren auf, fruchtet ja ohnehin nicht und nervt Dich nur und mich dann letztlich auch).
Was ich nicht recht verstehe ist: warum macht Dir das Angst? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du glaubst, ich würde Dich tätlich angreifen oder so etwas (finde ich jedenfalls aus meiner Perspektive hochgradigen quatsch, zumal ich tätlichen Auseinandersetzungen schon immer aus dem Weg zu gehen bemüht war - initiieren werde ich sicherlich keine). Es muss also eher ein psychologisches Motiv sein. Ich sehe es aber nicht. Wo liegt das eigentlich Bedrohlich daran?
Und mit dem Kopf in Beton: ein bißchen fühle ich mich da ja mißverstanden. Aber Du hast auch einfach noch nicht die richtigen Mittel und Wege gefunden, den Beton zu umgehen, um zu den z. T. durchaus verteufelt romantischen Blumen dahinter zu gelangen. Wobei das freilich nur Beteuerung ist, die Dich vermutlich nur bei der Stange zu halten sucht... who knows?
Ganz kurz, weil ich gerade keine Zeit mehr habe, zu der Humor-Geschichte: ich nehme es Dir noch immer nicht wirklich ab, dass da nur und ausschließlich Humor drinne steckte (und selbst wenn, ist es eben auch bezeichnend, welche Form von Humor Menschen so haben), beim ersten Lesen habe ich aber nahezu überhaupt keinen Humor wahrgenommen. Vor allem wegen Deines Hinweises, dass Du gerade konkret auf irgend eine Frau sauer wärest. So leitet man keinen humoristischen Beitrag ein. Auch wenn's mir dabei nicht um Beleidigung geht, steht die weiterhin. So empfinde ich, wie gesagt, nun einmal. Ich hatte einige engere Beziehungen zu Frauen, die sehr lebendige Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt gemacht haben und habe da ziemlich plastische Bilder zu meiner hochtrabenden Moral und ihrem Sinn im Kopf. Angesichts dessen, dass es seit 10 Jahren sowieso eine gesamtgesellschaftliche, vor allem über die Medien initiierte Bewegung gibt, Sexualität einerseits zu banalisieren, andererseits frauenfeindlich und gewaltförmig zu deuten, fand ich Deinen Beitrag mindestens eines: hochgradig unsensibel. Und aber eben auch ekelig und widerlich. Davon kann ich keinen Abstand nehmen, so sehe ich das nunmal.
Dann noch einen Satz zum Humor. Habe ich durchaus (und bin fast ein wenig betrübt, dass Du das gar nicht wahrzunehmen scheinst): Worüber ich mich köstlich amüsieren kann, sind bspw. die weniger ernsten Kurzgeschichten von Stanislav Lem, einem (allerdings ernsthaften) SciFi-Autoren. Finde ich immer wieder empfehlenswert...
Naja, nun muss ich aber wirklich los, insofern erst mal soweit...