Verbindlichkeit vor GmbH Gründung

  • Hallo,
    kann mir bitte mal mit der folgenden Fragestellung auf die Sprünge helfen?:

    X betreibt ein bescheidenes Unternehmen. Mit dem vermögenden Y beschließt er im Mai 2002, die „XY-GmbH“ zu gründen. Sie wollen ab dem 1.8.02 die Gesellschaft gemeinschaftlich betreiben, wobei X jedoch alleiniger Geschäftsführer sein soll. Im Einvernehmen mit Y betreibt X sein Unternehmen weiter und bezieht am 17.7. einen Kopierer für 5.000 € vom Händler H im Namen der „XY-GmbH i.G.“.
    Nach der notariellen Beurkundung am 3.8.2002 und der Eintragung im Handelsregister am 12.8.2002 verlangt H Zahlung.

    X hat H gegenüber als Vor-GmbH gekauft und müsste demnach nach §11 GmbHG haften. Aber für die Vor-GmbH muss eine notarielle Beurkundung vorliegen, daher kann es noch keine gewesen sein. Jetzt komme ich nicht richtig weiter damit, ob X als Unternehmer seiner (wahrscheinlich) BGB-Gesellschaft haftet oder als Vorgründungsgesellschaft oder wie sonst???

    Kann mir hier bitte jemand helfen?

    Vielen Dank!

  • Hey Gast!
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  • Relevante Daten sind in diesem Fall:

    Mai 2002: Einigung zwischen X und Y zur Gründung einer GmbH

    17.7.: Kauf des Kopierers durch X nach einvernehmlichem Weiterbetrieb des bisherigen Unternehmens

    3.8.: Notarielle Beurkundung des GmbH-Vertrags

    12.8.: Eintrag GmbH im HR

    Grundsätzlich existiert die GmbH erst mit der Erfüllung aller gesetzlichen Gründungsvoraussetzungen. Da der HR-Eintrag konstitutive Wirkung für die GmbH hat, also erst am 12.8. .

    Die Rechtsprechung hat jedoch zum Schutze des kaufmännischen Rechtsverkehrs diese strikte Grenze durchbrochen, indem sie sagt, dass das GmbH-Recht (mit Ausnahme der Normen, die explizit die Rechtsfähigkeit der GmbH voraussetzen) auf die Vorgründungsgesellschaft anzuwenden seien und die Vorgründungsgesellschaft identisch ist mit der zum späteren Zeitpunkt wirksam entstandenen GmbH. Mit der Eintragung steigt die GmbH in alle durch die Vorgründungsgesellschaft begründeten Rechte und Pflichten ein.

    § 11 I GmbHG bezieht sich auf die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft.
    § 11 II GmbHG, also die Haftungsnorm gegen den Handelnden, macht die Eintragung im HR entbehrlich, nicht aber den in der Form ordnungsgemäß geschlossenen Gesellschaftsvertrag. Damit passt sich die Norm in die Vorgaben der Rechtsprechung bezüglich der Vorgründungsgesellschaft ein. Der Kauf liegt damit außerhalb des Anwendungsbereiches dieser Norm.

    Allerdings hast Du noch den Mai 2002. Die Absprache zwischen X und Y ist als Vertrag zur Begründung einer GbR zu sehen, deren Zweck es ist, die GmbH zu errichten, § 705 I BGB. Der Beitrag des X besteht in der Einbringung seines bescheidenen Unternehmens, während der vermögende Y flüssige Mittel zuführen kann.
    Was an Beiträgen zu leisten ist, ist vorrangig Sache der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern. § 706 BGB bringt lediglich eine Auslegungsregel für den Fall, dass vertraglich keine Regelungen getroffen werden. X soll außerdem alleiniger Geschäftsführer der GbR sein.

    Die Anspruchsbegründung ist hiernach kein Problem. Sie richtet sich nach §§ 433 II, 710, 714 BGB.
    Das Entscheidungsproblem liegt auf der Ebene der §§ 714, 164 I BGB, weil nämlich zweifelhaft ist, ob X auch im Namen des Y den Kaufvertrag schloss. Ausdrücklich ergibt sich das nicht. Allerdings ergeben die Umstände, dass X auch den Y als einzigen Mitgesellschafter der BGB-Gesellschaft vertreten wollte. Y ist nämlich auch der einzige weitere Mitgesellschafter der Vorgründungsgesellschaft, in deren Namen X kaufte. Die Vor-GmbH gab es nicht, sondern nur die GbR. Eine personale Verwechslung in der Vertretung ist ausgeschlossen. Gleichgültig ist also, ob X erklärt, den Y persönlich oder in seiner Eigenschaft als Gesellschafter vertreten zu wollen oder als Geschäftsführer der GbR zu fungieren, siehe § 164 I BGB a. E. .

    Da der Kaufgegenstand in das Unternehmen des X eingehen soll, und dieses Unternehmen zuvor als Beitrag in das GbR-Vermögen geleistet wurde, kann sich der Y nicht auf ein Genehmigungsrecht aus § 177 I BGB berufen.

    Problematisch ist aber die Haftung für die Verbindlichkeit. H kann auf die Privatleute X und Y zugreifen. Auf die später gegründete GmbH aber nicht ohne besonderen Rechtsgrund. Denn für die Begründung der GmbH muss nur das Stammkapital geschaffen werden. Die Übertragung des Unternehmens (einschl. Kopiergerät) der GbR in das Gesellschaftsvermögen der GmbH ist ein eigenständiges Rechtsgeschäft, aus dem nicht zwingend die Übernahme der Zahlungsverpflichtung für den Kauf des Kopierers knüpft.

  • Hallo Donald,
    vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
    Ich verstehe deine Begründung jedoch nicht ganz, warum §11 nicht angewandt werden kann.Wenn mit dem Beschluss im Mai doch eine Vorgründungsgesellschaft vorlag, würde §11 doch auch gelten?

    Und muss ich nicht auch irgendwie §37 GmbHG mit einbeziehen, dass Abmachungen Dritten gegenüber unwirksam sind? Selbst wenn X den Y nicht hätte vertreten dürfen, konnte das H ja nicht wissen.

    Viele Grüße
    Kopfsalat

  • Hallo Kopfsalat,

    mein Tipp: hafte nicht zu sehr an der buchstäblichen Formulierung des Sachverhaltes.

    Zu § 11 II GmbHG: Diese Norm kann keine Anwendung finden, weil der Kauf am 17.7 erfolgt ist, und die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags erst am 3.8. vollzogen wurde.

    Buchstäblich heißt es im Sachverhalt, im Mai 2002 wurde von X und Y beschlossen, eine GmbH zu gründen. Rechtlich sind jedoch weitere konstitutive Voraussetzungen zur Errichtung der GmbH zu erfüllen, nämlich notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrags und HR-Eintrag. Beides gab es im Mai 2002 nicht. Daher kann in der Absprache (Mai 2002) von X und Y nur der Abschluss eines Vertrages nach § 705 I BGB (GbR mit dem Zweck, später die Gründung der GmbH herbeizuführen) gesehen werden, da dessen Abschluss nicht die strengen Formerfordernisse aufweist. Der GbR-Vertrag kann nämlich formlos geschlossen werden. Das bedeutet jedoch auch, dass der Kauf außerhalb des Anwendungsbereiches von § 11 II GmbHG liegt, der, wie gesagt, zumindest die notarielle Beurkundung des Gesellschaftsvertrages (dann Zeitpunkt der Entstehung der Vor-GmbH nach Ansicht der Rspr.) voraussetzt.

    § 37 GmbHG kannst Du deshalb im Ergebnis nicht bejahen, weil es an der Grundlage fehlt, überhaupt GmbH-Recht für die Anspruchsbegründung aus dem Kaufvertrag anzuwenden. Zwar trat absprachegemäß der X als Geschäftsführer der GmbH i. G. auf. Das ist lediglich als dessen subjektive Darstellung anzusehen. Nach dem objektiven Horizont eines unbeteiligten Dritten kann er das aber nicht gewesen sein, weil ja nicht einmal eine Vor-GmbH zum Zeitpunkt des Kaufs existierte. Diese entstand erst mit Abschluss des notariellen Gesellschaftsvertrags am 3.8. . Da von Beschränkungen dieser Vertretungsmacht ist im Sachverhalt nicht die Rede, daher ist das auch nicht das Problem.

    Die Vertretungsmacht des X ist daher wirksam nur auf Grund §§ 710, 714 BGB erteilt. Auch dies ergeben die aus objektiver Sicht zu betrachtenden Umstände. X betreibt im Einvernehmen mit Y sein Unternehmen weiter, d. h., es wird in das Gesamthandsvermögen der GbR eingebracht. X soll absprachegemäß (Mai 2002) alleiniger GmbH-GF sein, was sich in den Verhältnissen der GbR (ab Mai 2002 bis zum 3.8.) fortsetzt, weil kein gegensätzlicher Wille im Sachverhalt mitgeteilt wird, daher §§ 710, 714 BGB.

    Wenn X den Y nicht hätte vertreten dürfen, wäre es anhand dem Zahlungsbegehren des H durchaus denkbar, dass H zunächst beide als Schuldner in Anspruch nehmen würde. Eine evtl. fehlende Vertretungsmacht würde Y dem H gegenüber durch die Inanspruchnahme eines Genehmigungsrechtes aus § 177 I BGB geltend machen. Durch die Versagung dieser Genehmigung würde der dann zunächst schwebend unwirksam geschlossene Kaufvertrag im Verhältnis H – Y endgültig unwirksam. Y würde frei. Aber nach der Lage des Sachverhalt ist dies ausgeschlossen. X hatte gerade Vertretungsmacht.

    Grüße
    Donald

  • Ok, das verstehe ich. Ich wünschte, ich käm auch selbst auf diese Schlussfolgerungen. Ich habe mich zu sehr auf die Wirkung auf Dritte und die Frage, welche Gesellschaftsform vorliegt, konzentriert. Wobei ich da die ganze Zeit von der Vorgründungsgesellschaft statt der GbR ausgegangen bin.

    Nochmal vielen, vielen Dank für deine Hilfe!