Unternehmensrecht - Aktiengesellschaft

  • Ich habe eine Frage:

    Wenn jemand vom Aufsichtsratsvorstand zum Vorstandsmitglied bestellt wird, der Aufsichtsrat hierüber allerdings nicht in Kenntnis gesetzt wird und das "neue Vorstandsmitglied" (davon ausgehend, dass alle Beteiligten eingeweiht sind) beim Händler X ein Produkt in Höhe von 150.000 € bestellt, woraufhin sich der Aufsichtsrat erbost, da er über ihn als Vorstandsmitglied nicht informiert wurde - wer zahlt in dem Falle den entstandenen Schaden des Händlers (ausgehden davon , dass der Aucfsichtsrat nicht nachträgöich einwilligt) - das Vorstandsmitglied und der Aufsichtsratsvorsitzende, richtig?

    Danke für Eure Tipps
    Mel

  • Hey Gast!
    Hast Du eine Frage, die Du gerne beantwortet haben möchtet? Klickt auf den folgenden Link und Du wirst die Antwort finden:

    Hier findest Du die Antworten

    Egal, ob es sich um eine Frage zu einem bestimmten Thema in eurem Studium oder um allgemeine Ratschläge handelt - wir haben die Antworten, die ihr sucht. Also zögert nicht und klickt auf den Link! Wir freuen uns darauf, euch zu helfen.

  • Hallo,

    also deine Frage lässt sich wie folgt beantworten, falls der "neue" Vorstand gleich der "alte" Vorstand ist (seine Amtszeit also praktisch verlängert wurde):

    Der Vorstand ist für die Leitung der AG eigenverantworlich zuständig, was die Geschäftsführung und -vertretung der AG umfasst (§§ 76 ff. AktG). Er ist also der Vertreter der AG nach außen und leitet die Geschäfte im Innenverhältnis. Die Geschäftsführung umfasst alle Geschäfte der AG, sofern sie mit dem satzungsmäßigen Gegenstand der AG zusammenhängen.(Aufsichtsrat, Hauptversammlung oder Satzung können Beschränkungen festlegen.
    Der Vorstand wird auf höchstens 5 Jahre vom Aufsichtsrat gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG bestellt, wobei eine wiederholte Bestellung möglich ist.
    Die Bestellung des Vorstandes ist nun gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG nur durch den Aufsichtsrat insgesamt, also nicht nur durch den Aufsichtsratsvorsitzenden allein, möglich. Auch für den Anstellungsvertrag nach § 611 BGB (der im Innenverhältnis der AG mit den Vorstandsmitgliedern geschlossen wird) kann grundsätzlich nur der Aufsichtsrat insgesamt die AG vertreten.
    Die Bestellung des Vorstandes ist nun unwirksam, weil der im Innnenverhältnis notwendige Beschluss aller Aufsichtsratsmitglieder fehlt. Der Anstellungsvertrag nach § 611 BGB ist schwebend unwirksam, und wird erst durch Genehmigung des Aufsichtrates wirksam (§ 177 BGB).
    Nach § 81 Abs. 1 AktG ist jede Änderung des Vorstandes oder der Vertretungsbefugnisse des Vorstandes zur Eintragung ins Handelsregister anzumelden. Dies ist hier jedoch nicht erfolgt, da der Vorstand ja davon ausgegangen ist, dass keine Änderung der Eintragung im Handelsregister erforderlich ist (seiner Meinung nach gab es ja keine Änderungen).
    Ein Kaufvertrag nach § 433 BGB begründet nun Rechte und Pflichten für die AG, wenn die Voraussetzungen nach § 164 BGB erfüllt sind. Dann müsste der Vorstand die AG bei Vertragsabschluss wirksam vertreten haben. Der Vorstand hat gemäß § 164 Abs. 1 BGB im "fremden Namen" für die AG gehandelt. Er war aber eigentlich nicht mehr vertretungsbefugt, und somit wäre der Kaufvertrag unwirksam.Hier greift aber § 15 Abs. 1 HGB zum Schutz des gutgläubigen Dritten (Händler X) ein. Danach darf er darauf vertrauen, dass eine nicht eingetragene und / oder nicht bekannt gemachte eintragungspflichtige Tatsache nicht besteht. Da im Handelsregister also nicht vermerkt war, dass der Vorstand nicht mehr vertretungsberechtigt ist, kann der Händler darauf vertrauen, dass der Vorstand diese Befugnisse noch besitzt. Der Kaufvertrag ist also doch wirksam, und die AG ist zur Abnahme und Zahlung des Kaufpreises verpflichtet.

    Kurz zur Schuldfrage:
    Aufsichtsrat hat Teilschuld, weil er vergessen hat, rechtzeitig einen neuen Vorstand zu bestellen --> Pflichtverletzung
    Vorstand hat nach § 93 AktG bei der Geschäftsführung die Sogfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Gesellschafters anzuwenden. Bei Pflichtverletzung haftet er nach § 93 Abs. 4 AktG der AG und unter Umständen auch den Gläubigern gegenüber auf Schadenersatz. Frage ob der Vorstand die Entscheidung des Aufsichtsratsvorsitzenden nicht hätte hinterfragen müssen ("Hat wirklich der gesamte Aufsichtsrat zugestimmt?"). Somit wäre also wenn der Vorstand zum Schadensersatz an den Händler verpflichtet.
    Das Gleiche wie beim Vorstand trifft auch auf den Aufsichtsratsvorsitzenden zu. Er sollte in seiner Position eigentlich die gesetzlichen Regelungen kennen. Auch für die Mitglieder des Aufsichtsrates gelten die Bestimmungen über die Verantwortlichkeit des Vorstandes nach §§ 116, 93 AktG. Außerdem ist der Anstellungsvertrag nach § 611 BGB, den der Vorsitzende (schriftlich) verlängert hat, schwebend unwirksam (s.o.). Verweigert der Aufsichtsrat die Genehmigung des Vertrages wäre der Aufsichtsratsvorsitzende dem Vorstand gegenüber sogar zur Leistung von Schadenersatz nach § 179 BGB verpflichtet.

    Denke mal, dass die Frage aus dem Heft GRRE 03 kommt. Da ist es nur wichtig, dass die Bestellung des Vorstandes nur verlängert wurde (es wurde kein neuer Vorstand ernannt), und das der Vorsitzende dem Vorstand schriftlich die VErlängerung der Amtszeit bestätigt hat.
    Ist das da in deiner Aufgabe nicht der Fall, musst du dir das nochmal genauer ansehen, aber ich denke mal die Ausführungen sollten dir trotzdem ganz gut helfen können :)

    LG
    Steffi